IPv6?
Einführung
Das Internetprotokoll hat seine Wurzeln in den Forschungsnetzen der
frühen 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. IPv4 (Internet Protocoll
Version 4) ist die vierte Version des Internet Protokolls und heute das
verbreiteste Netzwerkprotokoll. Es ist die Grundlage des heutigen
Internets. Es wurde 1981 von Jon Postel in RFC791 definiert.
IPv4 benutzt 32-Bit-Adressen, somit sind maximal 4.294.967.296 (232)
eindeutige Adressen verfügbar. In der Anfangsphase waren nur einige
hundert Rechner miteinander vernetzt. 1989 wurden es mehr als 100.000 Rechner.
Mit der Enstehung des "World Wide Web"s Anfang der 1990er Jahre nahm die Anzahl
der Rechner im Internet explosionsartig zu. Dazu verknappte die
großzügige Adressvergabe der IANA
zusätzlich, sie vergab relativ große Adressbereiche (sog. "Class-A"
Netze, mit ca. 16,8 Mrd Adressen) an Firmen und Institutionen. Und damit leiden
vor allem Späteinsteiger, wie die starken Wachstumsmärkte
Südamerika und Asien, unter einer starken Verknappung des verfügbaren
Adressraums.
Man behilft sich mit diversen Techniken, wie Port-Address-Translation (PAT)
und/oder Network-Address-Translation (NAT), dieser Problematik etwas Wind
aus den Segeln zu nehmen. Aber das Internet wächst nach wie vor
ungebrochen und wird in Zukunft noch stärker wachsen. Einerseits
befinden sich große Teile der Erde diesbezüglich erst im Aufbau
(Asien, Süamerika, Afrika), andererseits werden auch neue technische
Erfindungen (z.B. Mobiltelefone und Autos) den Bedarf an Adressen auch im
Rest der Welt ansteigen lassen.
Neben der Adressknappheit gibt es noch andere Probleme mit IPv4. Das
Routing stößt an seine Grenzen, es gibt keine Authentifizierung
und Sicherheit der Kommunikation, etc. Das Internet Protokoll Version 6
(IPv6) wurde mitte der 1990er Jahre (erste RFCs kamen schon 1983ff auf)
entwickelt und wird weiter verbessert. Dabei wurde besonders an die
Erfahrungen mit IPv4 und die Anforderungen der Zukunft gedacht.
Die Änderungen bei IPv6:
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Die Auffälligste Änderung ist die Vergrößerung des
verfügbaren Adressraums. Er wurde von 32 Bit aus 128 Bit
erhöht. Das sind
2128=340282366920938463463374607431768211456 (ca. 3,4 *
1038) Adressen. Damit kann man jeden Quadratmillimeter (!) der
Erdoberfläche mit ca. 665,570793 Billiarden Adressen versorgen.
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Es gibt keine Netzwerk- und Broadcastadressen, ihre Funktion wird von
Multicast Adressen übernommen. D.h. aus einem IPv6 Netz sind alle IP
Adressen auch für Hosts nutzbar.
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Die Protokollrahmen (Header) wurden extrem vereinfacht. Einige wurden
entfernt, andere in (optionale) erweiterte Header verschoben. Der Header
bei IPv6 ist nur ca. zweimal größer als bei IPv4, obwohl die
Adressen viermal so lang sind.
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Die Optionen im Header werden anders kodiert. Optionen werden in einem
seperatem erweiterten Header zwischen IPv6- und Transportlayer-Header
transportiert. Ihre Länge ist nicht mehr auf 40 Byte limitiert.
Die Erweiterungsheader bei IPv6 erleichtern den Routern ihre Arbeit
erheblich. Ein Router kann schnell erkennen ob er eine Optionen beachten
muss oder ignorieren kann.
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Die Einführung von sog. Anycast Adressen. Das sind einfache Unicast
Adressen, die aber mit mehr als einem Host/Interface assoziiert sind.
Pakete an Anycast Adressen werden nur an die nächsten routbaren
Adressen geschickt.
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Die Einführung des "scope fields" bei Multicast Adressen. Dieses
Feld erlaubt skalierbares Multicasting, entsprechende Pakete können
gezielt an Router, Gruppen von Routern oder speziellen Hosts geschickt
werden.
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"Quality of Service" ist fest in das Protokoll intregiert. Im
sognenannten "Flow Label Field" können Pakete entsprechend ihres
Inhalts markiert werden, z.B. Echtzeitdienste wie Videokonferenzen.
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Die Header können nun Informationen zur Sicherheit und
Authentifizierung beinhalten. Sie stehen in einem erweiterten Header und
müssen deshalb nur von spezifischen Routern auf dem Pfad, und nicht
von jedem, bearbeitet werden. Internet Protocoll Security (IPSec)
arbeitet unterhalb der Applikationsschicht.
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Autokonfiguration, ähnlich zu DHCP, mittels Internet Controll
Messaging Protocoll Version 6 (ICMPv6) erlaubt Interfaces das
identifizieren und verifizieren von Adressen. Mittels "ICMPv6 Neighbor
Discovery" kann ein Interface seine "link-local" Adresse verifizieren.
Mit "ICMPv6 Router Solicitation" kann ein Interface einen gültigen
IPv6-Prefix identifizieren und seine eigene eindeutige globale Adresse
generieren.
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Automatische Umnummerierung ("Renumbering"). Sobald genügend Rechner
in einem IPv4 Netzwerk zu einem Teilnetz verbunden sind, bekommt man
Probleme sobald sich etwas an der Topologie ändert (z.B. Aufteilung
in kleinere/größe Netze, neuer Provider, etc). In solchen
Fällen muss das gesammte Netz, und damit jeder einzelne Rechner,
manuell umkonfiguriert werden. Bei IPv6 gibt es solche Probleme wegen der
Autokonfiguration nicht. Der neue Adressbereich muss nur einmal neu am
Router eingestellt werden und schon haben alle Clients ihre neuen
Adressen.
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Mobile IP wurde als Erweiterung des IPv6-Standard unter dem Namen "Mobile
IPv6" (RFC 3775) in das IPv6 Protokoll integriert. Hierbei geht es darum,
mit der gleichen IP-Adresse überall erreichbar zu sein,
beispielsweise wenn man sein heimisches Netzwerk verläßt und
eine Konferenz besucht.
Normalerweise müssten dazu aufwändig Routing-Tabellen
geändert werden. Mobile IPv6 benutzt stattdessen einen (das
Mobilgerät stellvertretenden) Agenten-Rechner ("Home Agent", HA) in
dessen Heimnetz. Eingehende Pakete werden durch diesen HA an die
momentane Adresse ("Care-of-Address", CoA) des Mobilgeräts
getunnelt. Der HA bekommt die aktuelle CoA des Mobilgerätes durch
"Binding Updates" mit, die das Gerät an den HA sendet, sobald es
eine neue Adresse im besuchten Fremdnetz erhalten hat.
Was sich liest wie die Wunschliste eines jeden Netzwerkadministrators, ist
leider (noch) nicht so ausgereift wie man es sich wünschen würde.
So werden noch nicht alle Aspekte von jedem Hersteller unterstützt,
andere sind noch Gegenstand aktueller Forschung (z.B. Mobile IP).
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Oliver Schroeder
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